Der Tragschrauber - halb Hubschrauber, halb Flächenflugzeug

von Walter Schmidt

 

Von den meisten unbemerkt hat die UL – Szene Zuwachs bekommen, aber der Neue will nicht so richtig wachsen. Was aus dem Kleinen werden soll darüber gibt es schon konkrete Vorstellungen, aber über die Babynahrung, - damit er wächst und gedeiht, ist die Rezeptur noch nicht verabschiedet.

Seit November 2001 ist mit NfL II – 89/01 der Tragschrauber ohne kollektive Blattverstellung als UL definiert. Somit kann jetzt auch in Deutschland ein UL- Tragschrauber nach BUT als Einzelstück oder Serienmuster mustergeprüft und zugelassen werden. Richtlinien für die Ausbildung zum Trag-schrauberführer sind zurzeit in Vorbereitung und in etwa 2 Jahren durch alle Instanzen genehmigt. Für die Erteilung der UL- Tragschrauber- Lizenzen ist der Deutsche Ultraleichtverband zuständig. Keine Richtlinien, - keine Lizenzen, - wer zurzeit in Deutschland einen UL – Tragschrauber legal fliegen möchte, muss in England einen „PPL-G“ erwerben. Für die Ausbildung zum „PPL-G“ benötigt der Anfänger 40 Stunden und der „PPL-A“ -Inhaber 20 Stunden

Der Tragschrauber (Gyrocopter) besitzt oberhalb des Fahrwerks einen kardanisch aufgehängten Rotor. Der Rotor dreht sich um eine senkrecht stehende Achse (Hochachse). Durch eine auskuppelbare flexible Wellenverbindung wird der Rotor auf die zum Start erforderliche Rotordrehzahl gebracht. Sobald die erforderliche Rotordrehzahl erreicht ist, wird diese Verbindung ausgekuppelt und die Motorleistung wirkt ausschließlich auf die rückwärtig platzierte Luftschraube mit waagerechter Drehachse gegeben. Der Tragschrauber wird horizontal beschleunigt, ab diesem Zeitpunkt wird der Rotor nur vom anströmenden Fahrtwind in Umdrehung gehalten. Dieser Betriebszustand wird mit Autorotation bezeichnet. Der frei im Luftstrom umlaufende Rotor ersetzt einen festen Tragflügel, hat gegenüber diesem jedoch den Vorteil, dass er auch bei geringer Fluggeschwindigkeit infolge der Eigendrehung Auftrieb erzeugt.

 

Warum fliegen Tragschrauber?
Beachten Sie im obigen Bild den schräg gegen den Fahrtwind geneigten Rotor.
Zum Vergleich die Kräfte, die an einem aerodynamischen Profil wirken:

hellblau = Widerstandsvektor
rot = Auftriebsvektor
grün = Resultierende
dunkelblau = anströmenden Luft

 

Die anströmende Luft (dunkelblau) erzeugt einen Widerstandsvektor (hellblau) in Anströmrichtung und einen Auftriebsvektor (rot), der per Definition senkrecht auf der Anströmrichtung steht. Auftriebs- und Widerstandsvektor spannen ein Parallelogramm auf und bilden den resultierenden Vektor der Gesamtkraft (grün), die das Profil bei der Anströmung erzeugt. Bei Flugzeugen mit Motor wirkt im Horizontalflug der Propellerschub entgegen dem "bremsenden" Widerstandsvektor.

Wird der Anstellwinkel des Profils jetzt erhöht, ergibt sich folgendes Bild:

hellblau = Widerstandsvektor
rot = Auftriebsvektor
grün = Resultierende
dunkelblau = anströmenden Luft

 

Das Parallelogramm ist also gleich geblieben, lediglich die Beträge der Kräfte haben sich geändert. Der Widerstandbetrag ist gewachsen und der Auftriebsbetrag ebenso. Mehr Widerstand bedeutet mehr erforderliche Motorleistung, mehr Auftrieb bedeutet mehr Steigen (oder weniger Sinken).
Stellen wir uns vor, die Tragflächen seien nicht fest am Flugzeug "angeschraubt", sondern über einen Rotorkopf drehbar gelagert, ergibt sich folgendes Bild:

Mittlerer Rotorgeschwindigkeit: 150 m/s
Anströmende Luft bei 140 km/h: 41 m/s
Anströmende Luft bei 20 Km/h: 5,5 m/s

 

Der Auftriebsvektor versucht also über seine Komponente in der Rotorebene das Profil nach oben zu ziehen = das Rotorblatt nach vorne zu ziehen. Der Rotor wird beschleunigt! Dem entgegen wirkt die Komponente des Widerstandsvektors in der Rotorebene. Sind beide Komponenten gleich groß, bleibt die Rotordrehzahl konstant.
Weil Widerstand und Auftrieb untrennbar miteinander gekoppelt sind, bleibt die Rotordrehzahl während des Fluges weitgehend konstant: Reduziert sich der Anstellwinkel, sinkt der Widerstand zusammen mit dem Auftrieb und umgekehrt. Es herrscht Kräftegleichgewicht.
Die Grafik gilt für ein voreilendes Rotorblatt, ein voreilendes Rotorblatt bekommt mehr Fahrtwind, ein zurückeilendes weniger. Die Rotordrehzahl muss also so hoch sein, dass auch beim zurückeilenden Rotorblatt die Anströmgeschwindigkeit noch so hoch ist, so dass das Blatt keinen Strömungsabriss erleidet, auch nicht beim Startlauf, wo es durch die Fahrtzunahme des Gesamtsystems noch weniger "Wind auf die Profilnase" bekommt. Deshalb ist es zwingend erforderlich, den Rotor vor dem Start über eine kritische Mindestdrehzahl zu beschleunigen (Vorrotation, von Hand oder per "Prerotator"). Andernfalls ist kein Start möglich. Während des Startlaufs beschleunigt der Rotor mit zunehmendem Fahrtwind solange bis der Auftrieb ausreicht, den Tragschrauber in die Luft zu heben, genau wie bei einem Flächenflugzeug.


Autorotation wenn der Gyrocopter vorwärts fliegt, der Rotorkopf ist positiv angestellt, (nach hinten) Die äußere Region des Blattes erzeugt Auftrieb zu Fliegen und die innere Region liefert die Kraft zum Drehen des Blattes. Die Region im Bereich der Rotornabe hat keine Wirkung. Im Horizontalflug findet eine Umverteilung der Autorotativen Zone statt, das vorlaufende Blatt erzeugt mehr Auftrieb, das nachlaufende Blatt erzeug mehr Kraft zur Rotation.

 

Autorotation wenn der Gyrocopter sich senkrecht nach unten bewegt. Die äußere Region des Blattes erzeugt Auftrieb zum Fliegen und die innere Region liefert die Kraft zum Drehen des Blattes.
Die Region im Bereich der Rotornabe hat keine Wirkung weil dort die relative Windgeschwindigkeit sehr klein ist

 

Warum fliegen Tragschrauber (meistens!) stabil und sicher?
Der Rotor ist ein Kreisel, Kreisel neigen dazu ihre Lage im Raum beizubehalten. Wirkt auf einen Kreisel eine Kraft, "weicht er der Kraft in der Drehebene aus", er präzediert. Das voreilende Rotorblatt erzeugt mehr Auftrieb als das Rückeilende. Wäre es kein Kreisel, würde die Rotorebene nach lins kippen (in der Rotation eilt das rechte Blatt voran).
Wegen der Kreiselwirkung wird der Tragschrauber jedoch vorne angehoben. Diesem Drehmoment um die Querachse wirkt ein mit zunehmendem "aufbäumen" ein ebenfalls zunehmendes Gegenmoment der Gewichtskraft entgegen ( Flugzeugrumpf + Pilot + Motor + Leitwerk + Kraftstoff hängen wie ein Pendel an der Rotorscheibe).
Mehr Schub vom Motor bedeutet mehr Geschwindigkeit = mehr Auftrieb. Weniger (oder kein) Schub vom Motor bedeutet weniger Geschwindigkeit = weniger Rotordrehzahl = weniger Auftrieb. Reicht die Rotordrehzahl nicht mehr aus, die Flughöhe zu halten, geht der Tragschrauber in einen Sinkflug über: Der Anstellwinkel steigt wieder an, der Rotor wird auf Drehzahl gehalten. Ein Tragschrauber kann also niemals "überzogen" werden, er kann gar nicht anders, als sich seine Fahrt zu holen.
Der Gleitwinkel ohne Motorleistung beträgt etwa 1:4 (UL- Flugzeuge haben bis zu 1:10), die Landerollstrecke beträgt aber nur 0 - 20 m, weil die Vorwärtsgeschwindigkeit dann sehr gering ist
(20 bis 60 km/h typischerweise).


Wann verliert der Tragschrauber seine Stabilität?
Wenn der Rotor in einen negativen Anstellwinkel gerät, die Summe aus Luftströmung durch die Drehung um die Rotorachse und Fahrtwind also so sehr "schräg von oben" kommt, zieht die resultierende Auftriebskraft (bzw. deren Komponente in Rotorebene) das Blatt nicht mehr nach vorne, sondern nach hinten:

hellblau = Widerstandsvektor
rot = Auftriebsvektor
grün = Resultierende
dunkelblau = anströmenden Luft

 

Das Blatt wird also durch die Auftriebs- und die Widerstandskraft abgebremst, bzw. die Auftriebskraft wird sehr klein im Verhältnis zur Widerstandskraft oder zeigt nach unten, wie im Bild dargestellt. Das bremst den Rotor stark ab, unterschreitet der Rotor seine kritische Mindestdrehzahl, kommt er auch nicht wieder auf Touren und der Pilot freut sich, wenn er ein funktionierendes Gesamtrettungssystem zur Verfügung hat.
Es gibt noch einen weiteren, unangenehmen Effekt. Im Normalflug schiebt der Propellerschub "zwischen" Rotorwiderstandsvektor und dem Widerstand von Pilot + Rumpf + Fahrgestell. Wird der Anstellwinkel kleiner, sinkt zunächst auch der Widerstand des Rotors und geht auch gegen Null. Bei vollem Schub dreht der Tragschrauber also um das Zentrum seiner Widerstandskräfte: Der Tragschrauber kippt vorne über. Was schlagartig zu einem (sehr) negativen Anstellwinkel der Rotorblätter und zu den oben erläuterten, hässlichen Effekten führt.

 

Sind Tragschrauber sichere Fluggeräte?
Tragschrauber sind sichere Fluggeräte (mängelfreie Konstruktion und ordentliche Instandhaltung vorausgesetzt). Sie müssen nur immer mit gut positiver "Flächen-" / Rotorscheibenbelastung geflogen werden. So wie es bei Flächenflugzeugen tödlich ist, in geringer Höhe zu überziehen, ist es bei Tragschraubern tödlich, den Knüppel zu hart nach vorne zu nehmen, insbesondere bei Vollgas.
Bei schlechten Konstruktionen ist der kritische Punkt schnell erreicht, bzw. noch durch zu starkes Ziehen und Nachdrücken, durch verzögerte und zu starke Reaktionen auf Bewegungen um die Querachse, gefördert. Der richtige Umgang mit diesem Gerät muss deshalb trainiert werden.


Warum Tragschrauber so selten sind
Tragschrauber haben gegenüber dem Flächenflugzeug folgende Vorteile:

und folgende Nachteile:


Tragschrauber haben gegenüber dem Hubschrauber den Vorteil, dass sie nur etwa 10% der Anschaffungs- und 10% der Betriebskosten erreichen. Nachteil: Sie können nicht Hovern (im Stillstand fliegen), seitwärts und rückwärts fliegen und auch nicht senkrecht Starten und Landen (von Sonderkonstruktionen abgesehen). Eine Bergung von Personen oder Lasten ist unmöglich.

Dieser Beitrag basiert nicht auf eigenem Wissen, ich habe aus dem Internet verschiedene Beiträge zusammengemischt, das meiste stammt von Herrn Jens-Achim Frei. http://www.jafrei.de/flgyro.htm

Weitere Links: http://mlbf01.fbm.hs-bremen.de/foerg/tragschr/tragschr.html
http://members.aol.com/ARROW%20UK/index.html

 

Mangels Kenntnis ist es mir nicht möglich zu beschreiben wie ein Tragschrauber geflogen wird, wer es weiß möge doch nachfolgende Fragen beantworten.

Wie wirken die Ruder
- Seitenruder links / rechts - und was bewegt sich – gilt einleiten, neutral, ausleiten
- Steuerknüppel ziehen - und was bewegt sich – gilt einleiten, neutral, ausleiten
- Steuerknüppel drücken - und was bewegt sich – gilt einleiten, neutral, ausleiten
- Steuerknüppel links / rechts - und was bewegt sich – gilt einleiten, neutral, ausleiten

Wie ist die Seiten - / Rücken - Wind- Empfindlichkeit beim

- Rollen
- Start
- Landung

Start
- normaler Start: Vorrotation min. Rotordrehzahl, Vollgas, – Knüppelstellung
- was geschieht, wenn man den Tragschrauber vor erreichen des nötigen Auftriebes plötzlich hochreißt, Hüpfer – durchsacken, harter Aufschlag, - hohe Rechnung

Steigflug
- bleibt der Knüppel während der gesamten Steigfluges gezogen oder gilt einleiten, neutral, ausleiten.
- normaler Steigflug, Geschwindigkeit des besten Steigens
- was geschieht wenn man den Knüppel bis zum Anschlag durchzieht

Reiseflug
- wie groß ist das Geschwindigkeitsband und die Leistungsbandbreite zwischen Vne und der Geschwindigkeit bei der eben noch die Höhe gehalten werden kann.

Flugmanöver
- wie leitet man einen Kurvenflug ein, mit Seiten und Querruder einleiten – Ruder neutral und nach Beendigung der Kurve wieder ausleiten? – oder ?
- Steilkurve bei Vollgas: wie viel Schräglage wie vielfach g, wie groß ist der geflogene Radius
- Steilkurve im Leerlauf: wie viel Schräglage wie vielfach g, wie groß ist der geflogene Radius
- ist eine Rolle möglich? Was geschieht?
- was geschieht: Steuerknüppel voll gezogen
a) Vollgas
b) Leerlauf
- ist ein Looping möglich, was geschieht
- ist ein Sturzflug mit Vollgas möglich, was geschieht
- ist ein Sturzflug im Leerlauf möglich, was geschieht

Landung
- normale Landung: Geschwindigkeit, Landeweg / Rollweg,
- kreisende Landung wie ein Fallschirmspringer, Radius des Kreises, Landeweg, Rollweg

Verhalten in besonderen Fällen
- Motorausfall
- negativer Anstellwinkel des Rotors
- überkippen nach vorne

Was muss auf jeden Fall vermieden werden
- Vollgas bei negativem Anstellwinkel
- überkippen nach vorne

 

 

W. Schmidt
fliegerschmidt@t-online.de

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