EnglandHans-Henning Dührsen

UL-Überführung von England nach Schleswig-Holstein


Da stand ich nun Mitte Juli früh morgens am vereinbarten Treffpunkt am Flughafen in London-Gatwick und fragte mich, ob wohl alles glatt gehen würde, mein fabrikneues Trike vom Hersteller in Marlborough nach Hause nach St. Michaelisdonn in Schleswig-Holstein zu fliegen. Als mir der Händler und Importeur SKY TEAM angeboten hatte, die Maschine durch fünf Länder mit ihm zusammen direkt zu mir nach Hause zu fliegen, ergriff mich ein wenig die Abenteuerlust à la Weltumrunder Brian Milton dessen Buch ich bereits mit Begeisterung gelesen hatte. Würde England, Frankreich, Belgien und Holland unsere UL-Scheine und die Gerätezulassung anerkennen? Roy Maihöfer von SKY TEAM versprach mir, sich während der sechs Wochen Lieferzeit des Trikes um Flugplan und alle sonstigen Formalitäten zu kümmern.
Im Zug besprachen wir nochmals alle Details und Roy zeigte mir einen Stapel Papier mit allen benötigten Dokumenten.


Zugfahren ist nicht so einfach Flensburger Förde

Schon nach kurzer Zugfahrt erreichten wir Reading, wo wir auf Gleis vier umsteigen sollten. „This is your train to Swindon“ deutete der Schaffner auf das Nachbargleis. Nach fast einstündiger Fahrt bemerkten wir, dass wir und noch einige andere im falschen Zug saßen. Wir waren zwar zur richtigen Zeit am richtigen Bahnsteig, aber wegen Verspätungen war es der falsche Zug. Fünf Stunden kostete uns diese Panne und wir kamen bei Pegasus erst kurz vor Feierabend an. In der Firma begrüßte man uns mit so einem bestimmten Grinsen.


Erste Etappe

Am nächsten Morgen rüsteten wir flugs unser Trike provisorisch mit Intercom, Funk und GPS aus. Nach einigen Formalitäten starteten wir kurz vor 10:00 UTC zum 194 km entfernten Lashenden-Headcorn mit gut halbvollem Tank. Ein strammer Rückenwind blies uns südlich um Gattwick um unzählige Lufträume (auch A & B) herumnavigierend in 77 Minuten mit einem Schnitt von atemberaubenden 151 km/h ans erste Etappenziel. Wir tankten sofort nach der Landung und gaben unseren Flugplan nach Maasvlakte bei Rotterdam auf.


Über dem Ärmelkanal

Die nächste Etappe planten wir frech mit 302 km Entfernung direkt über Frankreich und Belgien hinweg nach Rotterdam / Holland.
Nach dem Start in Headcorn erreichten wir sehr schnell den 50 km entfernten Fährhafen bei Dover und der Himmel klarte auf. Der an dieser Stelle nur 34 km breite Ärmelkanal darf für VFR-Verkehr mit max. 6.500 ft überflogen werden. Die Zeitspanne, während der im Gleitflug kein Land erreicht werden kann, beschränkt sich auf vielleicht fünf Minuten. Headcorn hatte uns die Wachfrequenz von Dover Coast Guard gegeben, da London Information i.d.R. nicht empfangen werden kann. Es ist zwar nicht beliebt, sich auf der Wachfrequenz anzumelden, aber es beruhigt ungemein, wenn man weiß, dass man auch empfangen wird.

Trotz des für dortige Verhältnisse eigentlich sehr schönen Wetters, konnten wir die französische Küste erst kurz vor deren Erreichen erkennen. Wir meldeten uns bei Lille Information an, wo man unsere Absichten wegen des Flugplans bereits kannte.

Über dem Kanal


Entlang der Küste ging es auf Kurs NO zur nur ca. 50 km entfernten belgischen Grenze. Lille Information übergab uns an Brüssel. Zuvor mussten wir jedoch eine Einflugfreigabe in das militär. Sperrgebiet Koksy einholen. Kaum richtig in Belgien drin, waren wir schon an der holländischen Grenze und Zeeland kam in Sicht. Nach der Landung in Maasvlakte waren wir sehr überrascht, dass unser Tank nach 300 km Flugstrecke tatsächlich noch etwa halbvoll war, obwohl der Wind schon deutlich schwächer als in England geworden war. Wegen des noch offenen Flugplans meldeten wir telefonisch unsere Landung bei der Flugsicherung in Amsterdam. Trotzdem es schon 19:00 Uhr war, flogen wir weiter.


Nervenkitzel über Amsterdam

Wir hatten zur Vermeidung von Schwierigkeiten mit Amsterdam-Schipol eine größere Umfliegung geplant. In Maasvlakte riet man uns zu einer ganz frechen Variante, was tatsächlich ein unvergessliches Erlebnis war. Wir flogen der Küste entlang nach Norden und orientierten uns an Leuchttürmen. Als wir Schipol Airport passiert hatten, meldeten wir nach Zaandvoort wie geplant einen Schwenk nach Osten und das beabsichtigte Unterfliegen der CVFR in genau 1.500 ft über Amsterdam. Warum wir ausdrücklich bestätigen mussten, unseren Kurs nach GPS und unsere Höhe exakt halten zu können, wurde uns bald klar.

Gen Südwesten


Wir wurden angewiesen, auf die Frequenz von Amsterdam Radar, der Anflugkontrolle von Schipol zu wechseln. Dann wurden wir exakt auf Gegenkurs und nur wenige hundert Meter parallel zum Gleitpfad der anfliegenden Maschinen auf Schipol geführt. Durch den starken Seitenwind auf diesem Kurs mussten wir und auch die anfliegenden Verkehrmaschinen einen deutlich sichtbaren Vorhaltewinkel erfliegen, so dass es in der Abenddämmerung den Anschein hatte, dass die auf fast gleicher Höhe anfliegenden Verkehrsmaschinen mit ausgefahrenem Fahrwerk und uns blendenden Landescheinwerfern direkt auf uns zu fliegen würden. Nach vielleicht fünf Minuten waren wir wieder „in Sicherheit“ und die restlichen 20 Minuten bis Lelystad waren trotz Überflug des Isselmeers mit rund 20 km Breite erholsam.

Für die 144 km hatten wir 1h 12 min benötigt. Wim van Neck, ein befreundeter Halter eines Quantum 912 erwartete uns bereits, und besortge unserem Trike einen Hangarplatz zum Ausruhen und wir verbrachten einen netten Abend in Amsterdam.


Lelystad - Emden

Am nächsten Morgen holte ich das Trike aus dem Hangar und rollte zum Tanken, während Roy sich um den Flugplan nach Emden kümmerte. Gegen 9:30 UTC starteten wir entlang der Ostküste des Isselmeers mit Kurs auf die Waddenzee. Lelystad liegt noch unter dem Luftraum A von Schipol weshalb wir uns wieder bei Amsterdam Information anmeldeten. Nur wenige Minuten später wurden wir aufgefordert, uns auf „Dutch Mil 132,35“ anzumelden. Die friesische Landschaft mit unzähligen Seen und Kanälen verzauberte uns so sehr , dass wir kaum redeten, außer den Sichtkontakt zu den gemeldeten Militärjets zu bestätigen, die in bis zu 6er-Staffeln um uns herumdonnerten.

Die belgische Küste

Nach Erreichen der Nordseeküste genossen wir den herrlichen Ausblick auf die friesischen Inseln Texel, Terschelling, Ameland, Schiermonnikoog und die vielen Plattbodenschiffe in der Waddenzee. Über der an dieser Stelle wohl 8 km breiten Ems-Mündung erreichten wir die deutsche Grenze. Nach kurzem Warten schwächte der Wind in Emden auf „nur“ 25 Knoten ab und wir setzten zur Landung an. Mit einem Schnitt von 134 km/h hatten wir die 187 km zurückgelegt.

Gestern waren wir immer auf langsamer Trimmerstellung mit etwa 100 km/h IAS geflogen. Heute flogen wir mit Trimmung auf Stellung „fast“ bei unglaublichen 115 km/h IAS. Wir ließen unseren Flugplan schließen und tankten eigentlich unnötigerweise wieder voll.

Das Finale

Es war uns klar, dass die restliche Strecke nach St. Michaelisdonn eher ein Katzensprung war. Deshalb planten wir wieder einige große Bögen entlang der Nordesseküste ein, so dass wir wieder zwischen Inseln und Festland entlang fliegen würden können. Das Wetter wurde aber nicht gerade besser und wir entschlossen uns, gleich weiterzufliegen.

Der Ausblick auf die Inseln Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog und Wangerooge war einmalig. Außer Spiekeroog hat jede Insel eine Flugplatz, von denen leider keiner für ULs zugelassen ist. Südlich von uns, in Ostfriesland, braute sich etwas zusammen, das ein Gewitter werden könnte und das wir genau beobachteten. Bremen Information bestätigte unsere Vermutung und sendete Warnrundsprüche an die gesamte Luftfahrt aus. Das Gewitter, immer noch mindestens 50 km entfernt, zog in Richtung Nordost und drohte uns den Weg abzuschneiden und uns aufs Meer hinauszudrängen. Um dem Gewitter nicht entgegen fliegen zu müssen, überquerten wir den Jadebusen deutlich nördlich von Wilhelmshaven bei einer Breite von gut 10 km, passierten kurz darauf die hier etwa 12 km breite Weser-Mündung und steuerten nördlich von Bremerhaven direkt am Navy-Platz Nordholz vorbei.

Die Elbemündung mit wiederum 10 km über Wasser konnte uns keine Angst mehr einflößen. So sehr vertrauten wir (natürlich fahrlässigerweise) unserem 912er bereits. In St. Michaelisdonn angelangt wurden wir von unserem Flugleiter Uwe freudig begrüßt. Auch die letzte Starkwindlandung gelang recht gut, womit die Überführung wenigstens für mich erfolgreich beendet war.

Lichtspiel


Zu guter Letzt

Am nächsten Tag hatte ich für Roy eine Mitfluggelegenheit bis Aschaffenburg in einer Beech Bonanza organisiert. Von dort wollte er mit dem Zug an den Bodensee zurück.

Vor dem Abflug sagte er noch, in diesem 5-Sitzer sei ihm weniger wohl als mit dem Trike über dem Ärmelkanal. Er sollte recht behalten: Die Beech flog IFR im Regen kurz vor Osnabrück, als nach Generatorausfall die gesamte Elektrik auszufallen drohte – und das mit einem elektrisch einziehbaren Fahrwerk! Sie kehrten um und landeten aber trotzdem wieder sicher. Roy nahm den Nachtzug von Hamburg aus nach Zürich.


Fazit

Und macht ein Trike mit 912er Motor nun Sinn? Es ist zwar ein recht teurer Spaß, aber speziell beim schnellen Fliegen zu zweit spielt der 912er seine Stärken in puncto Leistung, Gewicht und Verbrauch klar aus und wenn das ganze zusammen richtig ausgereift ist, ist es ein wahrer Genuss. Der 912er schnurrt im Normalflug so schön leise und sparsam vor sich hin. Ein 582er hätte wohl 20 l/h „gesoffen“. Jetzt bin ich mir sicher, dass ich mich in Zukunft ruhig auch an größere Strecken heranwagen kann, denn zur Erkundung des 50 km-Umkreises ist ein 912er-Trike zu schade

Flugdaten


Flugstrecke

1001km

Stationen

Marlborough – Headcorn – Maasvlatke – Lelystad – Emden – St. Michaelisdonn

Motorlaufzeit

8,6 h laut Flydat (inkl. Taxiing und Aufwärmen)

Reine Flugzeit

7,5 h laut GPS

Abfluggewicht

viel

Flugzeug

Pegasus Quantum 912

Treibstoff

93 Liter Avgas / Mogas

Verbrauch

10,81 l/h bei IAS 110 km/h bezogen auf die Motorlaufzeit

Speed

IAS am 1. Tag 100 km/h
IAS am 2. Tag 115 km/h

Ø-Speed ü. Grund

133 km/h